Denzlingen in der Zeit des Nationalsozialismus
Opfer – Täter – Widerstände
Im Jahr 1943 wurde in Denzlingen der polnische Kriegsgefangene Kasimierz Dworak wegen „Meuterei und Widerstand“ von einem Wachmann erschossen. Sein Grab befindet sich hier im Eingangsbereich zum Friedhof. Was in der Nationalsozialistischen Zeit in unserem Ort geschehen ist und welche weiteren Opfer zu beklagen sind, soll nicht in Vergessenheit geraten. Dazu zählen außer Dworak zwei Denzlinger, die im Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert und in Bernburg ermordet worden sind (siehe Tafeln 12.1 und 12.2).
Erfahren Sie mehr über Kasimierz Dworak und über Denzlingen in der Zeit des Nationalsozialismus...
Kasimierz Dworak
Kriegsgefangener aus Polen,
1943 in Denzlingen erschossen.
Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen im Jahr 1939 und 1941 auf die Sowjetunion wurden Millionen von Menschen aus den eroberten Gebieten, sehr oft auch Jugendliche, als billige Arbeitskräfte zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt, um in der Landwirtschaft, im Bergbau oder in der Kriegsindustrie zu arbeiten. Mehr als zwei Millionen Kriegsgefangene aus der Sowjetunion, Polen und anderen Ländern sind infolge von Unterernährung, Erschöpfung oder harten Bestrafungen umgekommen.
Bald nach dem Beginn des 2. Weltkrieges wurden der Gemeinde Denzlingen die ersten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter aus Frankreich und Polen zugewiesen. Die Franzosen wurden im Haus des verhafteten Jakob Bühler, Hauptstraße 53 (siehe Tafel 12.2), untergebracht. Im April 1941 trafen auch serbische Kriegsgefangene in Denzlingen ein, die in der ehemaligen Zigarrenfabrik Faist-Sohler in der Hinterhofstraße einquartiert wurden.
Das Lager in Denzlingen
In Denzlingen gab es eine Lagerbaracke der Reichsbahn für Kriegsgefangene verschiedener Nationalitäten. Diese befand sich zwischen dem Bahnkörper der Eisenbahn und dem Haus Im Untergraben 61.
Hier, Im Untergraben 61, stand die Lagerbaracke der Reichsbahn für die Kriegsgefangenen
Den Gefangenen war es bei Todesstrafe streng untersagt, Beziehungen mit deutschen Frauen einzugehen. Eindrucksvoll wird dies im Buch von Rolf Hochhuth „Eine Liebe in Deutschland“ dargestellt, das die tödlich endende Liebesbeziehung eines polnischen Kriegsgefangenen zu einer deutschen Bäuerin in einem Dorf an der Grenze zur Schweiz schildert.
Tagsüber waren die Denzlinger Gefangenen zur Arbeit bei Landwirten, in Gärtnereien, Gasthäusern, bei der Reichsbahn und in heimischen Firmen eingeteilt. Wer einen Kriegsgefangenen beschäftigte, musste dafür pro Tag 1 Reichsmark bezahlen. Abends kehrten sie in ihre Wohnquartiere zurück und wurden von einem Wachmann eingeschlossen.
Von einem Wachmann erschossen
Im Denzlinger Reichsbahnlager war auch der Pole Kasimierz Dworak einquartiert. Er wurde am 14. September 1943, „wegen Meuterei und Widerstand“, wie es im Sterberegister des Standesamtes der Gemeinde Denzlingen heißt, erschossen. Über die näheren Umstände weiß eine Zeitzeugin zu berichten, deren Vater mit dem Lagerwärter bekannt war: Beide stammten aus Prechtal. Auffällig ist, dass es bei diesem Todesfall offensichtlich zu keinem Verfahren gekommen ist; das lässt einen Willkürakt des betreffenden Wärters vermuten. Die Wachmannschaften konnten damals schnell kleinste Vergehen von Gefangenen und „Fremdarbeitern“ auf brutale Art und Weise verfolgen, ohne dafür strafrechtlich belangt zu werden. Denn die Zwangsarbeiter aus Russland und Polen wurden als rassisch minderwertig angesehen und infolgedessen schlecht behandelt.
Vorne links K. Dworak mit Kameraden
Das Grab des Kasimierz Dworak, am 20. Oktober 1917 in Koryto in Polen, als Sohn des Jan Dworak und seiner Frau, geb. Kaluze, geboren, befindet sich links am Eingang zum Kirchengelände der Georgs-Kirche am Kirchturm. Eine Delegation aus der Denzlinger Partnerstadt Konstancin-Jeziorna besuchte 2013 das Grab, und 2016 kamen auch seine Verwandten zu Besuch, die bis dahin nicht wussten, dass Kasimierz Dworak in Denzlingen begraben liegt.
Nachträgliche Totenexequien am Grab von K. Dworak 2016, ganz links die Verwandten des bestatteten Kriegsgefangenen, rechts Diakon Josef Suschek
Quellen- und Literaturangaben / CopyrightsStandesamt Denzlingen, Sterberegister 1943Badische Zeitung vom 4.5.2016Rolf Hochhuth, Eine Liebe in Deutschland (1978;
rororo 1983)Auskunft von Frau Anna-Maria Lang,
Schönbergstraße 1, 79211 DenzlingenVideo: Animation
Medienhaus Denzlingen
Denzlingen in der Zeit des Nationalsozialismus
Opfer – Täter – Widerstände
Während bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 im Deutschen Reich auf die NSDAP 43,9 % entfielen (Baden 45,8 %), erreichte die Partei Adolf Hitlers in Denzlingen 59,7 % der Wählerstimmen (743 von 1.491 Wahlberechtigten). Die Begeisterung für den „Führer“ war in unserem traditionell evangelisch geprägten Ort weitaus größer als beispielweise im katholischen Freiburg (NSDAP: 35,8 %). Die Deutsche Zentrumspartei, die in Freiburg 29,4 % der Stimmen erhielt, kam in Denzlingen nur auf 14,3 %, gefolgt von den Kommunisten mit 12,7 % (Freiburg: 14,2 %).
> Detailierte Informationen zur Reichstagswahl
als PDF
Den 18 namentlich bekannten NSDAP-Mitgliedern (Denzlingen, Band 2, S. 107) schlossen sich 1933 weitere 48 Denzlinger an. 1937 stieg die Zahl der Parteimitglieder im Ort auf 147, und 1942 zählte die Denzlinger Ortsgruppe 239 Personen, unter ihnen auch Pfarrer Hermann Leser und der Kirchen-Organist und Chorleiter Schäfer. Ortsgruppenleiter war bis 1938 der ehemalige Sozialdemokrat und Lehrer a. D. Wilhelm Meier.
Schon bald nach der Reichstagswahl gehörten dem Gemeinderat nur noch NSDAP-Mitglieder an; geleitet wurde er zunächst kommissarisch, dann – nach dem erzwungenen Rücktritt des sozialdemokratischen Bürgermeisters Karl Leimenstoll (1885-1947) – von dem ehemaligen Lehrer Wilhelm Meier. Die ersten Beschlüsse des „gleichgeschalteten“ Gemeinderats waren am 19. Juni 1933 zwei Umbenennungen und die Ernennung eines Ehrenbürgers:
- Die Hauptstraße wurde zur „Adolf-Hitler-Straße“ (Die Hindenburg-Straße gab es bereits seit 1916).
- Dem Platz zwischen der Schule, der Georgskirche und dem Rathaus gab man offiziell den Namen „Robert-Wagner-Platz“ (Robert Wagner war NSDAP-Gauleiter und Reichstatthalter von Baden.1946 wurde er von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet).
- Dem Emmendinger NSDAP-Kreisleiter Dr. Theophil Rehm wurde auf Vorschlag von Wilhelm Meier die Ehrenbürgerwürde verliehen – eine Auszeichnung, mit der zuvor (1900 und 1911) nur zwei verdiente Denzlinger Bürger ausgezeichnet worden waren (Denzlingen, Band 2, S. 163). Erst im Juli 2010 wurde Dr. Rehm auf einen Antrag aus den Reihen der Bürgerschaft hin die Ehrenbürgerwürde durch einen Gemeinderatsbeschluss aberkannt.
Aufmarsch der Denzlinger Sturmabteilung (SA) in der Adolf Hitler-Straße (heute wieder: Hauptstraße) am
1. Mai 1938
Auch die Denzlinger Vereine, beispielsweise der Männergesangverein (s. Protokollbuch), wurden „gleichgeschaltet“ und von parteitreuen „Vereinsführern“ statt von Vorständen geleitet. Wenn sich Widerstand regte – etwa gegen die Absetzung der Bürgermeisters Leimenstoll oder gegen den von der Kreisleitung daraufhin eingesetzten Bürgermeister Meier (Denzlingen, Band 2 S. 108-110) – erwies sich dieser als wirkungslos, da der mit Parteimitgliedern besetzte Gemeinderat geschlossen hinter Meier stand. Am 7. Dezember 1935 verfügte das Bezirksamt Emmendingen offiziell Meiers Ernennung zum Bürgermeister. Als Vertreter der „Glaubensbewegung Deutsche Christen. Gau Baden“ gehört er auch dem ev. Kirchengemeinderat an.
Der BDM (Bund Deutscher Mädel, weiblicher Zweig der Hitlerjugend) beim Ernte-Dank-Umzug in Denzlingen)
Als der Denzlinger Kommunist Friedrich Franz schon anfangs der Dreißiger Jahre verhaftet und der SPD-Bürgermeister Leimenstoll abgesetzt wurde, als man den „asozialen“ Mitbürger Jakob Bühler und die Tochter des „Hirschen“-Wirts, Anna Bassinger, als „Zeugin Jehovas“ verhaftete, ins Gefängnis brachte und später im Konzentrationslager ermordete, nahm die Dorfgemeinschaft das hin und stellte keine Nachfragen (Denzlingen, Band 2, S. 102-116).
Kundgebung in der NS-Zeit am ehemaligen Krieger-Denkmal auf dem „Robert-Wagner-Platz“ (zwischen dem alten Rathaus, dem Schulhaus und ev. Pfarramt)
Quellen / CopyrightsStatistisches Landesamt Baden-WürttembergGemeindearchiv Denzlingen: DA-DE 1A-727, Rechtsstreit Bürgermeister Karl Leimenstoll: 1A-214, Gemeinderatsprotokolle1B-237Vereinsarchiv Concordia-Chöre Denzlingen, Protokollbuch 1929-1949Dieter Geuenich – Dieter Ohmberger, Denzlingen,
Band 2: Von Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges (Denzlingen 2009) S. 102-122
Autoren dieses ArtikelsDietrich Elchlepp / Dieter Ohmberger
BuchempfehlungDie spannende Ortschronik der Gemeinde Denzlingen.Erhältlich bei
• Buchhandlung Losch
• Schreibwaren Markstahler
• Rathaus Denzlingen
Für alle Geocacher
Display 12.3
N 48° 03' 59.3”
E 007° 52' 58.1”
Display 14:
N 48° 03' 60.0”
E 007° 52' 57.7”
Display 16:
N 48° 04' 02.2”
E 007° 52' 57.2”
Display 17.2:
N 48° 03' 58.9”
E 007° 53' 08.8”
Display 18:
N 48° 03' 59.5”
E 007° 53' 02.0”
Für alle Geocacher die ganz genauen Positions-Daten:
Display 12:
48.06648, 7.8828